Tastsinn fördern: Darum ist taktile Wahrnehmung so wichtig für Kinder

Was genau ist taktile Wahrnehmung?

Taktile Wahrnehmung bezeichnet, was wir passiv über Rezeptoren auf der Haut und auf der Zunge wahrnehmen, beispielsweise die Berührung der Kleidung oder die Wärme der Sonne, aber auch die Konsistenz oder Temperatur von Nahrung im Mund.

Haptische Wahrnehmung bezeichnet hingegen einen aktiven Vorgang, wenn wir z. B. nach einem Gegenstand greifen und ihn befühlen. Beide Arten der Wahrnehmung grenzen nah aneinander, doch der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass es einen Unterschied gibt.

Was ist das Besondere an taktiler Wahrnehmung?

Unsere Haut ist das größte Sinnesorgan, und taktile Reize werden spätestens von Geburt an von Menschen wahrgenommen – anfangs oft über den Mund, z. B. beim Finden der mütterlichen Brust. Erstaunlich ist, dass die Wichtigkeit taktiler Wahrnehmung mit zunehmendem Alter zu schwinden scheint: Wir können uns auf unsere Augen verlassen, anstatt Dinge zu fühlen oder in den Mund zu nehmen.

Dabei bleiben laut dem Psychologen Martin Grunwald taktile Reize wichtig, gerade auch als Abgrenzung zwischen dem eigenen Ich und der äußeren Welt. Über rein visuelle oder auditive Reize gelingt die Versicherung über die eigene Existenz nicht. Auch als Erwachsene nutzen wir Hunderte Male am Tag Selbstberührungen, um uns zu konzentrieren, zu beruhigen oder zu orientieren.

Auch wenn unser Auge nicht in der Lage ist, feinste Oberflächenstrukturen zu erkennen, sind wir in der Lage, sie über die Fingerkuppen zu erspüren. Natürlich brauchen Menschen taktile Reize, gerade auch von Mitmenschen wie z. B. durch eine Umarmung oder ein Streicheln, um sich gesund und glücklich zu entwickeln. Martin Grunwald, Tastsinnforscher und Leiter des Haptik-Forschungslabors der Universität Leipzig, geht so weit zu sagen, dass Berührungen Nahrung für unser Gehirn ist, und zwar in jedem Alter.

Warum ist taktile Wahrnehmung wichtig?

Die Förderung taktiler Wahrnehmung ist vor allem im Kindesalter wichtig, da sie die Entwicklung fördert und Kindern das Lernen über den Tastsinn ermöglicht. Gleichzeitig kommt die taktile Wahrnehmung im Alltag oft zu kurz. Und das nicht nur, weil unsere Augen den Tastsinn ersetzen, sondern auch aus mangelnder Gelegenheit oder Bequemlichkeit. Wann sind Sie zuletzt barfuß durch eine taufeuchte Wiese oder über einen moosigen Waldboden gelaufen?

Viele Kinder machen generell wenige Naturerfahrungen und kennen somit vielleicht nicht das Gefühl, in der Erde zu matschen oder durch ein Bachbett zu waten. So bleiben ihnen auch viele Chancen verwehrt: Sie wissen z. B. nicht, dass Steine kälter und schwerer sind als Holz und dass Kork härter ist als Muscheln. Auch davon abgesehen sind taktile Reize wichtig, denn sie fördern gleichsam das Bewusstsein des eigenen Körpers und die Motorik.